Medienwirksames Ereignis

Die Aktualität bringt es mit sich, dass ich endlich wieder mal einen Beitrag, allerdings kein Belustigungsschreiben verfasse: Der Absturz eines Kleinflugzeuges am Flughafen Zürich.

Wie es dazu kommen konnte, steht – trotz ersten gesicherten Informationen – noch in den Sternen und wird möglicherweise dort stehen bleiben. Erstaunlich finde ich aber die Medienarbeit, welche sich damit befasst, und vielleicht hier in Zürich noch etwas anders ankommt als anderswo:
– Es wird (noch) keine Schuld zugewiesen – weder Menschen, Technik noch Anflugverfahren.
– Das BFU wird mit dem Ausdruck “Ausweichlandung” zitiert, wo die Medien sonst immer gleich “Notlandung” verschreien.
– Es wird immer gesagt, dass die eigentliche Absturzursache noch nicht bekannt sei.

Dies ist angesichts der Berichterstattung über den Flughafen und die Aviatik im allgemeinen ein grosser und schöner Fortschritt – möge es so weitergehen. Trotzdem noch drei Anmerkungen:
– Es gibt grundsätzlich 4 Landungstypen: Die ordentliche Landung (wie und wo geplant), die Ausweichlandung (wenn aus irgend einem Grund die geplante Destination nicht angeflogen werden kann), die Sicherheitslandung (wenn irgend etwas den Eindruck einer anormalen Situation erweckt) und die Notlandung (naja, spricht für sich). Für die meisten Medien gibt es nur die Notlandung – in den allermeisten Fällen sind die medial wirksamen Landungen aber maximal Sicherheitslandungen. Notlandungen gibt es zum Glück sehr selten.
– In hochgradig komplexen und eng gekoppelten Systemen (z.B. Aviatik, AKW-Business – s.unten) ist Schuld etwas, das wir konstruieren – a. im Nachhinein und b. im Wissen um das Ergebnis der Situation. Dieses Konstrukt entsteht, um versicherungstechnische Fragen zu klären, Arbeitnehmer der Jurisprudenz zu beschäftigen, gesellschaftlichen Forderungen zu entsprechen oder aber schuldlose Elemente auszusortieren resp. zu rehabilitieren. Es ist jedenfalls, als einfaches Beispiel, angenehm zu erfahren, dass bei einem Autounfall die nasse Strasse schuld war, denn daraus folgernd muss das Fahrverhalten nicht weiter hinterfragt werden. Es beruhigt also unheimlich, wenn der/die/das Schuldige gefunden wird – und ist für die Gesellschaft von emotional hoher Qualität.
(Anm. zu a.: Ein Verhalten kann 99x zum Erfolg führen und beim 100.Mal zum Misserfolg. In den ersten Fällen wird weder gefeiert noch getadelt, da das möglicherweise bereits vorliegende Misserfolgspotential nicht erkannt wird.
Anm. zu b.: Sofern keine Sabotage vorliegt, hätten die in einen Misserfolg Involvierten mit Sicherheit anders gehandelt, wenn sie das selbe Wissen gehabt hätten, wie wir’s jetzt haben.)

DIE Absturzursache wird nie bekannt sein – und ist zudem ein Unwort. Erstens schliesst dieses Mindset aus, dass es verschiedene Faktoren und Umstände, beeinflussbar oder nicht, gegeben haben könnte. Anderseits ist die Aviatik, wie bereits angetönt, ein vielschichtiges, komplexes und so genannt eng gekoppeltes System. In andern Worten: Es gibt viele Einflüsse, nicht alle davon sind kontrollier- und/oder steuerbar; es gibt zudem verschiedene “Teilnehmer”, die z.T. unabhängig, vom jeweils andern oftmals unbemerkt, agieren, dessen Wahrnehmung, Verhalten und Ergebnis aber doch in irgend einer Form und in irgend einer Abhängigkeit, d.h. mal sehr stark, mal weniger, etc. beeinflussen. Wenn ich nun also sage, dass ich DIE Ursache für einen Absturz finden werde, ist dies, wie wenn ich sage, dass ich DIE Ursache finde, weshalb es morgen zu keinem Absturz kommen wird. Paradoxerweise leuchtet es – im Gegensatz zum Unglücksfall – sehr vielen Menschen ein, dass es für den reibungslosen Fall nicht nur EINEN Grund gibt.

Tja, so funktionieren wir – alle, mehr oder weniger unbewusst. Watch out! 😉 – Bis dann!

(Anm.: Paradebeispiel für einen medial atypischen Bericht ist – wieder mal – die NZZ.)

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